Backpacking in Schottland

Donnerstag, 30.09.1999

Schon halb neun Uhr morgens ging es weiter. War ich froh, daß ich keinen Kater bekomme - egal, wieviel ich trinke. Die anderen klagten über Kopfschmerzen und bekamen kaum die Augen auf. Habe es richtig bedauert, wieder abfahren zu müssen. Die Landschaft hält einen fest, der Ort wirkt beruhigend und fast schlafend. Man kann sich hier richtig erholen. Allerdings gilt das nicht für die Touristensaison. Da quillt der Ort förmlich über, wie mir berichtet wurde.

Unser gelber Kleinbus war diesmal relativ voll. Wir hielten nach mehreren Stops (unter anderem auch am Wasserfall [Den Namen schlage ich bei Gelegenheit mal nach.] ) in Kyle of Lochalsh direkt vor der Brücke. Von hier aus fahren die Busse zur Insel hinüber. Es ist ein kleiner Ort an der Meeresenge zur Insel Skye mit etwa 1650 Einwohnern. Im Sommer herrscht dort geschäftiges Treiben, da sich hier viele Touristen wegen der flüssigen und billigen Fährverbindungen nach Skye aufhalten. Abends kann man malerische Sonnenuntergänge mit den Silhouetten der Fischkutter in der glutrot eingefärbten Sonne bewundern. Skye ist eines der beliebtesten Hauptziele des Schottland-Tourismus. Die herbe Wildnis mit den berühmten Wetterumschwüngen läßt sich hier am unmittelbarsten erleben. Hier gibt es für jeden etwas: optimales Bergwandern in den schroffen, sturmgepeitschten Cullin Hills, die raue Halbinsel Trotternis mit völlig menschenleerem Landesinnerem, abgelegene Lochs mit beißfreudigen Forellen und blauschwarze Wolkenbänke als herrlicher Farbkontrast zur weiten, bräunlichen Heidekraut-Steppe.
Ich wollte zur "Hauptstadt" der Insel - nach Portree, wo ich mich mit Casey verabredet hatte. Die meisten hatten sich eine Unterkunft in Kyleakin gesichert. Irgendwie war ich ganz froh, die ganzen Leute loszuwerden. Sie paßten mit ihrem städtischen Gehabe ("What? There are no clubs around?") nicht so ganz in meine Urlaubsstimmung. Ich mußte eine Weile auf den Bus warten, konnte jedoch so - ohne nochmals umzusteigen - durchfahren. Meinen Gutschein für die Überfahrt konnte ich zwar nicht einlösen, habe ihn aber später Casey geschenkt, die noch einmal nach Skye gefahren ist. Wir hatten uns in einer Jugendherberge verabredet, die ein paar Minuten vom Marktplatz, dem Mittelpunkt des Ortes, entfernt lag. Ich sicherte mir einen Platz und ging auf Besichtigungstour.
Als ich zurückkam, erwartete mich eine Nachricht von Casey. Sie war schon angekommen, übernachtete aber im "Portree Independent Hostel". Mitten in der Stadt, nicht mal eine Minute vom Marktplatz entfernt, ist dieses Hostel wahrscheinlich vorzuziehen. Wir blieben jedoch jede wo wir waren und Casey kam abends noch mal vorbei, um mich abzuholen. Gemeinsam zogen wir nun durch alle 8 oder 9 Pubs des Ortes. War ziemlich amüsant. Casey versuchte, mich vom Wohlgeschmack des Whiskys zu überzeugen. Das führte dann dazu, daß wir in jedem Pub einen anderen Whisky probierten und dann meist noch ein halbes Pint Bier bzw. Cider (entspricht einem knappen halben Liter) tranken. Zugegebenermaßen wurde uns auch einiges ausgegeben. Der Abend war aber ziemlich amüsant.

Freitag, 01.10.1999

Am nächsten Morgen ging ich nach einem kurzen Frühstück zu Casey. Sie arbeitete noch ihre Übernachtung ab. Jetzt lernte ich auch die zwei Brüder kennen, die das Hotel führen. Der Hostelmanager ist Colin F. mit langen roten Locken. Er sieht einem Highlandlord, wie man ihn sich vorstellt, zum Verwechseln ähnlich. Sein älterer Bruder, Craig, hat ebenfalls lange Haare. Seine sind jedoch blond und glatt. Er meinte, daß er Caseys Haare haßt. Ihre sind nämlich sehr viel länger als seine eigenen. :-) Die beiden Brüder konkurrieren miteinander um die Länge ihres Kopfschmuckes. Sie übertrafen dabei zwar meine langen Haare, aber nicht mal annähernd die von Casey, welche ihr bis weit über den Allerwertesten reichten. Habe mich großartig amüsiert, während ich mit Casey und Craig unterhielt. Wir schmiedeten ein paar Pläne für die nächsten Tage.
Dann buchten wir zwei Plätze für Nick's Tour am nächsten Tag und machten uns auf, das Dunvegan-Schloß zu besichtigen.
Da die Busse zu sehr merkwürdigen Zeiten fuhren und Craig uns von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der hiesigen Einwohner überzeugte, beschlossen wir zu trampen. Dunvegan ist ein behäbiges Straßendorf, das wegen zentraler Lage und zwei guten Hostels ideal als Standquartier zur Erkundung des Nordwestens geeignet ist. So steht es zumindest im Reiseführer. Obwohl uns eine Frau aus diesem Dorf letzlich zum Schloß fuhr, haben wir von diesem Ort nichts mitbekommen. Allerdings glaube ich auch nicht, etwas verpaßt zu haben.

Wir besahen uns andächtig das Schloß und bewunderten gebürtig die sehr schönen Gärten. Außerdem fanden wir ein Schloßfenster (oder war es nur eine Schießscharte?) in der Form des Staates Vermont. Die Herrin des Schlosses - eine alte, aber sehr freundliche und nette Frau - unterhielt sich mit uns. Irgendwie wirkte sie überhaupt nicht aristokratisch. Wahrscheinlich deshalb, weil sie es war. Eigentlich gehört das Schloß jetzt ihrem Sohn, aber sie wohnt das ganze Jahr über hier. Die Gärten und die Landschaft beeindruckten uns so sehr, daß wir uns erst sehr spät auf den Heimweg machten.

Der Rückweg erwies sich als ziemlich abenteuerlich. Wir hatten über zwanzig Kilometer vor uns und etwas Pech mit der Uhrzeit. Es gab nämlich keinen Bus mehr zurück, was ja eigentlich nicht weiter schlimm war. Das Problem war jedoch die sehr ländliche Gegend. Der Verkehr stirbt gegen Abend - Dinnertime - fast völlig aus. Wir waren vollständig auf vorbeikommende Autos angewiesen. Es hielt auch jedes Auto an; nur dauerte es ewig, ehe mal eins vorbeikam. Wir liefen bestimmt insgesamt um die 5 Kilometer. Davon abgesehen, daß wir schon von weitem anhand unserer langen, blonden Haare als Frauen identifiziert werden konnten, glaube ich, daß auch Männer unter diesen Umständen keine Probleme beim Trampen gehabt hätten. Zumindest nicht sehr viel mehr. Die Einheimischen sind extrem freundlich und Trampen ist eine völlig normale Art, sich auf der Insel fortzubewegen.
Unterwegs erlebten wir alle Facetten des berühmt-berüchtigten unbeständigen Skye-Wetters. Hätte nicht gedacht, daß so etwas möglich ist. Wir hatten innerhalb von nur zwei bis drei Stunden alles zusammen: strahlende Sonne, Regen, Sturm, Hagel und danach eine laue, wundervolle klare Nacht. Insgesamt trafen wir auf drei Autos, welche alle anhielten. Eines davon war ein Bus, und während wir nach der halben Strecke an einer - glücklicherweise überdachten - Bushaltestelle auf die nächste Fahrmöglichkeit warteten, fing es an zu hageln. Aber war für Hagel! Die Körner waren riesengroß und kamen in einem Tempo herunter, das einen Aufprall mehr als nur schmerzhaft machte. Wir verkrochen uns unter das Dach.
Nach dem schlimmsten Schauer kam unsere Verbindung. Der sich schon im Feierabend befindliche Busfahrer hatte uns mitgenommen und dann den Geistlichen des Dorfes gebeten, uns weiterzufahren. Dieser mußte sowieso noch nach Portree. Ich ließ Casey mit ihm reden und schwieg eisern. Nach der obligatorischen Frage unseres Zieles lautete seine zweite Frage nämlich promt: "Geht Ihr auch immer zur Kirche?" Daß wir eventuell nicht christlich wären, kam ihm gar nicht in den Sinn und er fragte auch nicht danach. Casey erzählte ihm irgendetwas (zum Glück war sie halbwegs gläubig) und versuchte, ihn von mir und meinen damals recht geringen Kenntnissen des Christentums abzulenken. Wir wollten ihn beide nicht verärgern. Irgendwie hatte er etwas Fanatisches an sich ...

Nach unserer abenteuerlichen, fast zweistündigen Reise zurück waren wir doch etwas hungrig und stürzten in die Küche. Und dort sah ich James am Tisch sitzen! Was für eine Überraschung! Ich stellte Casey und James einander vor und dann warfen wir drei zusammen mit Craig und Colin unsere Lebensmittel zusammen und kochten ein Mahl für alle. Es wurde noch sehr lustig, da irgendwelche Gäste eine Gitarre hervorzauberten und mit Singen anfingen. Hier sah ich zum ersten Mal das "Das Ding". Jahre später (2002) fand ich das Kultliederbuch durch Zufall in einem Laden wieder (die erweiterte Ausgabe) und es ziert jetzt mein Bücherregel. Mein anfängliches Sträuben nützte nichts und schließlich mußte ich Solo singen, während die anderen den Refrain gemeinsam ablasen ... täuschte dann Durst vor und entkam ..
Dann fragten uns die beiden Brüder, ob wir mit zum Tanzen gehen wollten. Wir machten große Augen und sie legten den Finger vor den Mund. Sie wollten nicht, daß das ganze Hostel davon erfährt. Wir verabredeten uns in einer Bar und während Craig und Colin noch etwas erledigen mußten, zogen wir schon eher los. Dort amüsierten wir uns königlich und als die Jungs dann kamen, gingen wir gegen zehn auf den Marktplatz, wo ein extra Transportservice jede halbe Stunde die Leute in den Club brachte. Es stellte sich heraus, daß dieser inmitten von Nirgendwo war.
Wir fuhren etwa dreißig Minuten lang über eine Straße. Ringsumher befand sich nur Dunkelheit - nicht einmal ein Haus war zu sehen. Auf einmal entdeckten wir ein Licht. Wir fuhren darauf zu. Es stellte sich als eine umfunktionierte Turnhalle heraus. Colin bestätigte, daß es in der Umgebung tatsächlich nichts gab und sich daher keiner über den Lärm beschweren konnte. Als wir ankamen, war ich ziemlich verblüfft: wer hätte gedacht, daß es auf dieser kleinen Insel derartig viele Leute in dem Alter zwischen 18 und 35 geben könne? Es gab sogar Türsteher! Der DJ kam extra aus Glasgow und die Musik war moderner, als ich hier auf dieser Insel vermutet hätte.
Irgendein riesiger Kerl, dem ich gerade bis zur Brust reichte, bat mich ungewohnt galant um einen Tanz. Später dann hob er mich einfach hoch und tanzte so weiter - als ob ich eine Puppe wäre! War zwar erheiternd, aber doch ziemlich irritierend. Craig gefiel das Ganze nicht besonders. Die beiden Brüder paßten während des gesamten Abends sorgfältig auf uns auf ... Irgendwann verschreckte er den Kerl (da ging er mir schon auf die Nerven) mit einer Diskussion über Fleisch. Der Riese war nämlich Fleischer und Craig aus Überzeugung Vegetarier ..... Ich ließ die beiden das allein ausdiskutieren und ging wieder zurück zur Tanzfläche. In den ganzen Stunden dort haben wir vielleicht insgesamt eine Stunde pausiert, die zumeist mit Flüssigkeitsaufnahme gefüllt war.
Hier muß ich noch anmerken, daß die Musik vielleicht modern war (Techno, HipHop, Pop, ...), aber das ganze Drumherum nicht. So etwas habe ich lange nicht mehr erlebt: zuerst wird man höflich gefragt, ob man tanzen möchte, dann tanzt man tatsächlich mit nur einem Partner, der die Dame dann galant an ihren Platz zurückbegleitet und für den Tanz dankt. Bei Techno!!
Casey und ich haben uns prächtig amüsiert und obwohl wir am wenigsten für einen solchen Abend vorbereitet waren (Kleidung, knöchelhohe Wanderschuhe und mangelnde Kriegsbemalung) waren wir durch unsere Fremdheit, durch unseren sich unterscheidenden Tanzstil und unseren nichtschottischen Akzent als Tanzpartner recht beliebt. Mit den Brüdern gemeinsam bildeten wir später am Abend ein Tanzquartett, wobei die Männer eindeutig darauf achteten, daß es so schien, als wären wir Paare. Colin und Casey (sie wurden dann ja auch wirklich ein Paar) und Craig und ich. Auf unsere erstaunte Frage hin murmelten sie etwas von einfacherer Handhabung ... ??? ... Schließlich zuckten Casey und ich mit den Schultern - eigentlich war es egal mit wem wir tanzten. Und es zählte eigentlich nur, daß sie beide sich gut bewegen konnten und auch nicht aufdringlich waren. Wir fühlten uns wirklich sicher und umsorgt ... :-) Craigs und vor allem Colins Ausdauer waren auch nicht von schlechten Eltern. Colin tanzte fast fünf Stunden durch! Er hatte heute keine Zeit zum Training gefunden und nutzte das Tanzen als Konditionstraining. In einer Woche sollte er seine Prüfung für den schwarzen Gurt in irgendeiner Kampfsportart machen ...
Zu einer undefinierbaren Uhrzeit am Morgen - es dämmerte bereits und wir konnten die Umgebung erkennen - machten wir uns mitsamt unseren langhaarigen schottischen Beschützern in Richtung unserer Betten auf. Sie hatten es geschafft, irgendwie ein Taxi zu organisieren. Netterweise wurde ich noch von Colin bis zu meinem Hostel gebracht. Er begleitete mich hinein, um sicherzustellen, daß ich auch wirklich ohne Probleme in meinem Zimmer landen würde und nicht vor verschlossener Tür warten müsse. Wie lieb von ihm .... Total müde schlief ich ein, kaum daß ich mich hingelegt hatte.

Samstag, 02.10.1999

Ein Glück, daß ich den Wecker gestellt hatte. So verpaßte ich den Beginn von Nicks Tour nicht und kam rechtzeitig zum Brunch im "Portree Independent Hostel" an. Craig verfluchte seine Arbeit und irgendwelche Teenager, die ihn nicht in Ruhe ließen und mit dummen Fragen nervten. Seine Augen ließen die nächtliche Aktivität vermuten. Beide Brüder waren total k.o. Colin hatte seine Arbeit wohl für eine Weile niedergelegt, denn er schlief im Foyer angezogen auf der Couch und merkte nicht, daß ich ihn dabei fotografierte. Kurz bevor Casey und ich lostrabten, wachte er kurz auf, begrüßte mich und drehte sich wieder auf die andere Seite. Wie mußte Craig ihn doch beneiden .. aber als älterer Bruder wachte er sorgsam über den Schlaf des Jüngeren.
Wir erzählten James von der Tour. Als Nick dann ankam, war der Kleinbus leider schon völlig besetzt. So konnte James bedauerlicherweise heute nicht mitkommen. Er verabredete aber gleich einen neuen Termin und fuhr nächsten Tag mit.

Wir besahen uns unsere neuen Begleiter für den Tag. Es herrschte eine leicht angespannte Stimmung, die wir aufzulockern versuchten. Aber offensichtlich waren einige unzufrieden - weswegen, konnten wir nicht herausfinden. Muß aber ehrlich zugeben, daß es uns relativ egal war. Wir verbreiteten unter den anderen gute Stimmung und scherzten auch mit Nick herum.
Mitten auf der Straße hielt der Bus dann plötzlich an. Ratlosigkeit breitete sich aus, als Nick uns mitteilte, wir sollen unsere Regenjacken anziehen. Einige von uns - die "Meckerer" - kamen nicht mit. Ihr Pech. Was folgte, ist wirklich erinnerungswürdig. Es ging einen Abhang steil hinunter und dann einen sehr schmalen Pfad zum Wasserfall hinüber. Das Wasser war jetzt zu dieser Jahreszeit torfbraun. Unten empfing uns ein leuchtender Regenbogen, als die Sonne hinter den Wolken hervorkam. Auf der anderen Seite des reisenden Wildbachs hing ein Seil, an dem wir wieder hochklettern sollten. Aber erst einmal hinüberkommen!
Nick ging voraus. Hinter dem Wasserfall befand sich ein schmaler Spalt zwischen Felsen und herabbrausendem Wasser. Mit der Ermunterung, uns gut festzuhalten und daß das Wasser nicht ganz bis zu den Knien reichte, ging Nick voran. Was soll ich sagen? Es war ein wundervoller kleiner Adrenalinstoß. Das Wasser war zwar eiskalt, wurde aber in meinen Schuhen schnell warm. Und ich hatte Glück: ich trug eine Trekkinghose, die nach einer halben Stunde wieder trocken war. Caseys Jeans war abends immer noch feucht. Auf der anderen Seite zogen wir uns an dem Seil hoch … ich muß definitiv mal wieder mehr Stangenklettern machen. Aber zum Glück war ich nicht die Schlechteste. Bei mir ging es sogar relativ schnell.

Während wir auf die anderen warteten, unterhielten Casey und ich uns mit Nick. Er ist ein sehr lustiger Typ, locker, wirklich nett und gehört dem unterhaltsamen und mitteilsamen Menschenschlag an. Und er haßt herummeckernde Leute, die nur den Spaß verderben - drei von unserer Gruppe gehörten nämlich zu dieser Art. Er erzählte uns im Vertrauen, daß er viel lieber James mitgenommen hätte als die drei … und er entschuldigte sich bei uns, daß kein Platz für James freigewesen war. Wir fanden das sehr nett von ihm, obwohl eigentlich recht unerwartet - es war ja nicht seine Schuld. Dann mußte er noch einmal hinunterklettern und den anderen hochhelfen.
Wir fuhren weiter am Storr Plateau und dem Old Man of Storr vorbei. Das Storr Plateau ist eine Landschaft aus schroffen Basaltklippen und dem Old Man of Storr, einem 50 m hohen Felsobelisk, der 1950 zum ersten Mal bezwungen wurde. Um dort hinaufzusteigen, führt ein Pfad bis zur Spitze des Massivs. Vom Lever der Straße aus sind 300 m Höhenunterschied zu überwinden. Der Zeitbedarf beträgt etwa 2 Stunden. Der Ausgangspunkt ist der beschilderte Parkplatz der Forestry Commission. In den letzten Jahren verwittert der Pfad immer mehr, da niemand dessen Instandhaltung in die Hand nimmt; daher sollte man festes Schuhwerk tragen und vorsichtig sein!
Es ging immer weiter nach Norden, bis wir auf einem Parkplatz hielten und den kurzen Weg zum Leuchtturm hinaufstiegen. Von oben hat man eine atemberaubende Aussicht. Weiter ging es eine Küstenstraße entlang. Kilt Rock ist eine 80 m hohe Steilküste (in einigen Reiseführern wird auch von 200 m gesprochen, aber ich kann nicht gut schätzen und weiß daher nicht, welche Angabe korrekt ist), die mit viel Phantasie einem gefalteten Kilt ähnlich sieht. Sie besteht aus roten Basaltsäulen, die wie Pfeifen einer überdimensionalen Orgel aussehen und auf einer horizontalen Schichtung ruhen.
Im Vordergrund befindet sich ein riesiger Wasserfall. Der Aussichtspunkt ist ein beschildeter Picknickplatz am Loch Mealt. Angeblich hatte Aleister Crowley hier einen seiner Wohnorte. Zwei Kilometer nördlich von Kilmuir steht die Ruine von Duntulum Castle, von dem man einen guten Fernblick auf die steinige Score Bay und die Äußeren Hebriden hat. Es nieselte und Nick erzählte uns die Geschichte der Ruine. Er verwies auf den Roman "Whisky Gallore" von Compton MacKenzie und empfahl das Buch wärmstens.
In Kilmuir ist vor allem das Skye Museum of Island Life sehenswert. Es wurde vor ein paar Jahren ausgebaut. Es besteht aus einer kleinen Ansiedlung von Black Houses (Schmiede, Bauernhaus, Weberhütte). Im Wandbett liegt eine Schlafmütze auf der Matratze, als sei der Crofter eben aufgestanden und zum Torfstechen rausgegangen. Dort sind außerdem viele Geräte des täglichen Lebens der damaligen Zeit zu bewundern.

Die "Elfenhügel" haben mich besonders beeindruckt. Sie strahlen etwas Geheimnisvolles aus, etwas Unfaßbares. Angeblich habe hier eine schreckliche Schlacht zwischen den Elfen stattgefunden und überall würden noch deren Zähne herumliegen. Schafszähne, Knochen und Schädel lagen auch tatsächlich überall umher. In den Hügeln wohnen Elfen und man soll sie nicht stören … Im grinste während dieser Geschichte vor mich hin und dachte an die Elfengeschichten von Irland und Island.

Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob ich alle Stationen von Nicks Tour aufgezählt habe - ich glaube nicht. Aber es war sehr lohnend und interessant. Eigentlich hätte ich mich am gleichen Tag noch mit Nicks Bus nach Kylakin mitnehmen lassen können. Aber ich hatte noch einen Wegwerfgrill aus einem früheren Hostel kostenlos mitnehmen dürfen und wir hatten uns zum Grillen verabredet. So bräunten Craig, Colin, Casey, James und ich unser Fleisch unter dem Vordach, weil es zu dieser Zeit wieder einmal regnete. Colin sah immer noch ziemlich fertig aus und war verblüffend ruhig. Als sich die anderen in die Küche verzogen, leistete er mir draußen noch Gesellschaft.
Nach dem Essen zogen wir vier (James war zu müde) in die Kneipe auf dem Marktplatz. Dort fanden wir erstaunlich viele Einheimische im Alter von 18 bis etwa 30 vor. Dieser Pub hatte sogar bis 1 oder 2 Uhr geöffnet! Natürlich nur Freitag und Samstag. Hier sei noch mal an die nervende britische Sperrstunde erinnert. Aber ab 11 wurde unten die Tür abgeschlossen, dunkle, lichtundurchlässige Gardinen vor die Fenster gezogen und es durfte nur hinein, wer vorher schon drin oder den Türstehern persönlich bekannt war. Eine Art Exklusivität.
Als ich mich dann auf den Rückweg machen wollte, gingen Casey und Colin ebenfalls. Da Colins Haus auch in der Richtung meines Heimweges lag, ging ich wieder in den Pub zurück. Die beiden hatten sich eng umschlungen und liefen derartig langsam, daß ich sie wirklich nicht stören wollte, indem ich sie überholte. Nach einer weiteren Stunde, die ich im Gespräch mit Craig verbrachte, ging ich dann endlich in mein Hostel zurück und legte mich schlafen.

Sonntag, 03.10.1999

Ich verabschiedete mich am Morgen schweren Herzens von Casey, James und den Brüdern. Sie würden mir fehlen. Es waren wundervolle Tage gewesen.
Um 10:30 Uhr sollte mich der Haggis-Bus nach Corpach bringen. Also mußte ich in Portree den Bus eine Viertelstunde früher (10:15 Uhr) nehmen und mich nach Kylakin bzw. Kyle of Lochalsh bringen lassen. Den Bus erwischte ich ohne Probleme. Leider konnte ich aber damit eigentlich nicht über die Brücke. Auch hier galt der Gutschein wieder nicht für den Bus, der durchfuhr. Weil ich aber so ein verzweifeltes Gesicht zog und den Busfahrer nett angelächelt habe, schaffte er mich ohne Bezahlung hinüber. So kam ich noch rechtzeitig für mein gelbes Riesentaxi.
Von Kyle of Lochalsh geht es weiter nach Corpach. Es waren nicht besonders viele im Bus. Wir hielten am Eilean Donan Castle. Dort wurde "Highlander I" und "James Bond - Die Welt ist nicht genug" gedreht. Wahrscheinlich werden es auch noch mehr Filme sein. Aber das sind bis jetzt die bekanntesten.

Bedauerlicherweise hatten wir nicht sehr viel Zeit für dieses Schloß. Ein halber Tag wäre mindestens nötig gewesen. Das Schloß ist wirklich großartig. Und die Wiederherstellung der Innenausstattung ist wirklich gelungen. Sie haben sogar ein paar Wachsfiguren mit zeitgenössischer Kleidung hingestellt. In der Küche habe ich tatsächlich zu einer Gestalt "Excuse me" gesagt, weil ich so dicht daran vorbeiging. Als keine Reaktion erfolgte, erkannte ich erst, daß der Puppe jegliche Möglichkeit mangelte, mir zu antworten. War über die Echtheit mehr als erstaunt und leicht verlegen, als mich eine wirkliche Person amüsiert belächelte. Vor allem bewunderte ich die Küche - ein Meisterwerk. Zusammen mit einem Südafrikaner (einem Musiklehrer) war ich dann mit die Letzte, die völlig verspätet in den Bus stieg. Aber die anderen konnten sich auch nicht viel eher losreißen.

Als nächstes fuhren wir zum Ben Nevis, dem höchsten Berg Großbritanniens. Dort, am Fuße des wolkenverhangenen Berges, wurde der Film "Braveheart" gedreht. Unser Fahrer erzählte uns eine ganze Menge darüber und wies auch darauf hin, daß Stewart, dem das Hostel in Corpach und eines in Oban gehörte, während des Aufbaus und der Dreharbeiten eine ganze Menge Fotos geschossen hat, die jetzt in seiner Jugendherberge in Corpach an der Wand aushängen. Wie ich später erfahren habe, ist Braveheart dem Kämpfer William Wallace im 12. Jahrhundert nachempfunden. Sein Werk setzte später Robert (the) Bruce als König von Schottland fort.

In der Jugendherberge in Corpach traf ich all die Australier wieder, die ich nicht zu wiederzutreffen gehofft hatte. Sie veranstalteten ein Höllenspektakel, waren laut und vulgär und ich hatte überhaupt keine Lust, mich großartig mit ihnen zu unterhalten. Stattdessen unternahm ich einen Spaziergang mit Theunis, dem südafrikanischen Musiklehrer. Er suchte einen Geldautomaten. Wir mußten über eine halbe Stunde laufen, um einen an einer Tankstelle in Richtung Fort Williams zu finden. Der helle Südafrikaner erzählte mir eine Menge über die weiße Bevölkerung der Mittelschicht (seine Eltern sind Engländer) in Johannesburg. Seine Freunde waren hauptsächlich Leute aus der einheimischen dunklen Bevölkerung. Als wir wieder zurückkamen, ging ich sofort ins Zimmer, las noch ein wenig und machte sehr zeitig als Erste das Licht aus.

Montag, 04.10.1999

In der Nacht schlief ich aufgrund des Schnarchkonzertes so gut wie gar nicht. Entsprechend war ich dann auch gelaunt. Als die ganze Truppe aufbrach und ich als einziger Gast im Haus zurückblieb, legte ich mich wieder ins Bett. Dort wurde ich nun prompt von der Putzfrau gestört!
Ich stand auf und schlenderte im Haus umher, besah mir die Fotos und versuchte wachzuwerden. Ein paar Gespräche mit der Putzfrau (Name vergessen), Stewart und Damien halfen durchaus. Sie sahen mich jetzt auch nicht mehr so schief an. Damien erklärte mir nämlich, daß sie am Abend zuvor davon überzeugt waren, ich wäre spießig. Hmpf! Muß allerdings zugeben, daß ich das von mir auch gedacht hätte, hätte ich mich erst gestern abend kennengelernt. Jetzt hatten sie nur noch Mitleid mit meiner Müdigkeit. Vor allem, als sie hörten, daß ich die letzten Abende nur gefeiert habe und auch die Techno-Night auf Skye mitgemacht habe. Sie war offensichtlich ziemlich bekannt.
Die Jugendherberge ist recht nett. Sie hat mehrere Preise und Auszeichnungen für die besten Freizeitaktivitäten bekommen. Ich fand alles aber übertrieben teuer. Irgendwie kam ich mir wie in einer üblen Touristenfalle vor. Hier geschah nichts aus Freundlichkeit, alles mußte bezahlt werden und war auch nicht gerade preiswert. Internetanschluß ist vorhanden, im Aufenthaltsraum gibt's Video und sie haben die Lizenz, Alkohol zu verkaufen. Den kann man auch anschreiben lassen und gemeinsam mit der Zimmerrechnung bezahlen. Geschäftsfördernd ….
Gegen Mittag lieh ich mir ein Fahrrad für einen halben Tag und fuhr zu den Steall Waterfalls. Die Fahrradanreise wurde länger als erwartet - und das, obwohl ich Fahrradfahren sowieso schon nicht mag. Irgendwann nach über 20 Kilometern (das war viel für mich damals!) hoch und runter kam ich dann an und schloß mein Fahrrad an einem Baum an. Unterwegs kam ich an der Jugendherberge vorbei, in deren Hinterhof der Weg auf den Ben Nevis losgeht.
Die Wanderung zum Wasserfall war die schönste in meiner Zeit in Schottland! Es geht durch ein Tal immer den Fluß entlang. Die Berge recken sich zu beiden Seiten in die Höhe. Da ich eigentlich fast völlig allein war und nur aller halben Stunde jemanden traf, fand ich auch meine Ruhe wieder. Die Gegend ist atemberaubend. Als ich ankam, war ich sehr versucht, weiter in das Tal vorzustoßen. Hätte ich einen Rucksack und ein Zelt oder Biwaksack bei mir gehabt, wäre ich einfach weitergelaufen und hätte irgendwo nächsten oder übernächsten Tal übernachtet.
Übrigens sei hier zu bemerken, daß durchaus ab und an der Weg unter Wasser steht und bergfestes Schuhwerk durchaus empfehlenswert ist. Ein solcher Rat steht auch auf einem großen Schild auf dem Parkplatz vor dem Start der Wanderung.
Der Wasserfall ergießt sich 110 Meter tief ins Tal hinein. Im Frühjahr ist es bestimmt ein imposantes Schauspiel. Jetzt im Herbst hielten sich die Wassermassen in Grenzen und trotzdem war es beeindruckend.
Über den nun ruhigen Fluß führte rechts eine Brücke hinüber. Aber was für eine! Sie bestand aus drei Seilen, eines unten, zwei oben. Das untere war mit Knoten versehen. Da ich nicht so groß bin, mußte ich meine Arme weit nach oben strecken, um die beiden Halteseile fassen zu können. Alles in allem eine sehr wacklige und unsichere Angelegenheit, aber witzig. Dafür befindet sich am anderen Ufer eine Schutzhütte, die man kostenlos benutzen kann. Selbstverständlich muß man seine eigene Ausrüstung mitbringen, da sie nicht bewirtschaftet wird. Also wirklich nur eine Art stabiler und wasserdichter Zeltersatz.

Auf dem Rückweg hielt ich an der Touristeninformation. Sie haben dort eine schöne kleine kostenlose Ausstellung über die Flora und Fauna der Gegend. Auch ein paar geologische Fakten finden sich hier. Nachdem ich noch ein wenig in Fort Williams herumgekurvt war, fuhr ich zurück nach Corpach. Mehr Zeit wollte ich in Fort Williams nicht verbringen. Schien mir persönlich nicht unbedingt lohnenswert, wahrscheinlich, weil ich nicht ein so übermäßiges Interesse fürs Militär hege. Im Hostel zurück war ich zwar ein wenig über der Zeit, aber Damien ließ es durchgehen und schrieb mir nur einen halben Tag (=genau 6 Stunden, wie pingelig) auf. Inzwischen waren auch noch zwei oder drei andere Leute eingetroffen. Mit nur einer kleinen Gruppe wurde es am Abend richtig gemütlich und wir hatten eine Menge Spaß.

Dienstag, 05.10.1999

Am Morgen lief ich die paar Minuten in den Ort, um die "Treasures of the Earth"-Ausstellung zu besichtigen. Der Eintrittspreis ist zwar heftig, aber wenn sich jemand für Steine interessiert durchaus lohnenswert. Die Ausstellung ist recht klein, aber fein. Sie haben dort einen Gang hingebaut, in dem die Steine mit UV-Licht bestrahlt werden. Diese erscheinen dann in völlig neuen, interessanten Farben. Eine ganz neue Perspektive, die ich bis jetzt noch nirgendwo anders gesehen habe. (Naja, abgesehen von einem Labor in der Uni. Aber die Steine sind nicht so groß und es wirkt in der Ausstellung wesentlich eindrucksvoller).
Auf dem Weg zurück kamen Stewart und Damien mit dem Auto vorbei und boten mir an, mich kostenlos (ist bei ihnen wohl eher eine Seltenheit und absolute Ausnahme) mit zum Fuße des Ben Nevis zu nehmen, damit ich ihn besteigen konnte. Zu meiner Schande muß ich gestehen, meinen Fotoapparat vergessen zu haben!!! Die Wanderung fand ich relativ einfach und ist nicht so sehr im Gedächnis haften geblieben wie der Ben-y-vrackie. (Außerdem habe ich damals keine Reisenotizen geschrieben. Wer eine ausführliche Wanderbeschreibung dazu haben möchte, muß sich leider anderweitig umsehen. Sorry! Aber keine Sorge, Ihr werdet bestimmt fündig werden. Hier ist eine recht amüsante Wegbeschreibung, die auch den Schmerz danach berücksichtigt. Allerdings hatte ich nicht solchen Muskelkater beim 1. Mal - erst 2008.) Wie auch immer, oben lag schon Schnee und der Geröllweg forderte den Oberschenkelmuskeln beim Herunterlaufen dann doch einiges ab. Oben war natürlich alles wolkenbedeckt und ich traf auf meiner Wanderung nur zwei andere Leute. (Nachtrag: am 16.07.2008 habe ich mit meinem schottischen Partner bei einem Verwandten-Kurzbesuch den Berg nochmals bestiegen. Diesmal hatte ich allerdings eine Kamera dabei. Die Bilder stammen von dieser Besteigung.)

Anschließend lief ich noch den Caledonian Canal in der Nähe von Neptun's Staircase entlang. Das ist eine Reihe von Schleusen - 9 an der Zahl - die dem Schiffsverkehr die Höhenbewältigung ermöglichen. Ich glaube, es waren 18 m Unterschied. Ich verfiel dort in eine recht nachdenkliche Stimmung. Es waren kaum Menschen anwesend. Auf der anderen Seite begegnete ich einigen Hauseigentümern. Von einer Frau wurde ich sogar zum Tee eingeladen. Auf dem Weg zurück zum Hostel machte ich einen Umweg direkt an den See … dabei kam ich durch eine Gegend, die von relativ armen Menschen bewohnt wird … eine andere Welt öffnet sich hier … Den Kanal entlang und unten am See konnte mein geschultes Auge (Umweltingenieur!) Anzeichen gravierender Umweltverschmutzung erkennen … wirklich schade.
Heute abend waren wir wieder ein paar mehr Leute. Die Busfahrerin für den nächsten Tag hatte auch schon ihr Plätzchen gefunden. Damien, ein 37jähriger Australier, der im Hostel arbeitet, ist angehender Psychologe. Studiert schon seit vielen Jahren. Relativ witzig, obwohl er auf den ersten Blick irgendwie sehr ruhig erscheint. Wir verbrachten noch einen Großteil des Abends miteinander. Es war interessant und ich habe eine Menge gelernt. [...]

Weiter geht es nach Oban und von dort aus zu einer kleinen Inselkreuzfahrt. Ich treffe auf die Artuslegende mit Merlins Geburtsort, ich begegne Freunden wieder, reite über schottische Felder und wohne in einem echten Schloß mit echten Geistern.