Backpacking in Schottland
Mittwoch, 06.10.1999
Tja, kaum geschlafen - irgendwie dauerte der Abend dann doch länger als erwartet - ging es heute weiter nach Oban. Leider war die Fahrt so kurz, daß ich meinen Schlaf nicht nachholen konnte.
Glen Coe ist zum Wandern ideal und wunderschön, aber leider hatte ich nur noch wenig Zeit bis zum Semesterbeginn übrig und bin nicht dageblieben. Werde ich beim nächsten Mal machen. Es soll sich lohnen, aber mehr als Wandern gibt's da nicht. Obwohl genau das ja das Reizvolle ist. Aber für diesbezüglich Uninteressierte ist hier die falsche Stelle.
Oban ist ein bedeutendes
Touristenzentrum, das sich in weitem Halbkreis an der Bucht entlangzieht.
Die Häuser wuchern inzwischen bis hinauf auf die dahinterliegenden Hügel.
Entsprechend der Bevölkerungs- und Touristenzahl (zur Saison stark überlaufen)
gibt es hier ein breites Angebot an guten Restaurants und Entertainment. Als
ich mich ins Gästebuch des Hostels eintrug, das übrigens ebenfalls Stewart
(Corpach) gehört, las ich die Namen von Casey und James, die gerade heute
wieder abgefahren sind. Meine freudige Überraschung schlug allerdings schnell
in Enttäuschung um, als ich merkte, daß ich sie verpaßt hatte. Aber nun ja,
das ist das Leben und ich zuckte innerlich die Schultern.
Nachdem ich mich eingerichtet hatte (meine
Sachen also einfach auf das Bett stellte) ging ich ins Stadtinnere. [...]
Nach einem kurzen Überblick
in der Touristeninformation ging ich den kleinen Hügel hinauf, der sich über
die Stadt erhebt. Der Pulpit Hill gilt als der beste Aussichtspunkt
auf die Stadt, die Bay und die vorgelagerten Inseln. Am schönsten soll es
nachts sein, wenn in Oban die Lichter brennen. Um hinzukommen, geht man zur
Kreuzung "Crannaig a' Mhinster Road" mit der "Villa Road". Von dort führen
Stufen und ein Pfad hinauf auf den Hügel. Sehenswert ist dort oben auch der
MacCraig's Tower. Es wirkt wie eine Kopie des Kollosseums von Rom.
Es wurde Ende des letzten Jahrhunderts von einem Bankier erbaut, der sich
damit ein Denkmal setzen wollte. Es war als eine Art Galerie gedacht. Leider
starb er aber vorzeitig, und seine Erben ließen das Monument unvollendet.
Von dort aus hat man einen guten Stadtrundblick.
Der Stadtbummel brachte
mich in interessante Ecken und Gegenden. Ich traf auch auf ein paar nette
Leute, mit denen ich mich unterhielt. Auf dem Weg zurück kaufte ich noch ein
paar Lebensmittel ein, die ich im Hostel verstaute. Von dort aus ging es weiter
zum Dunollie Castle. Dazu muß man nur die Straße ortsauswärts am Meer entlanglaufen
(Richtung Ganavan) und hinter einer Kurve kreuzt dann rechts ein Pfad ab,
der steil nach oben zum Dunollie Castle führt. Ist eigentlich mehr
eine Ruine als ein Schloß, aber nett, zumal wenn kaum Leute anwesend sind.
Von der Ruine, die aus dem 12. Jahrhundert datiert, hat man einen idyllischen
Ausblick auf den Firth von Mull.
Angeregt von der Aussicht besuchte ich die
tourist information wieder und buchte eine "Three-Island-Tour" für den nächsten
Tag. Nach einem warmen Abendessen verkroch ich mich ziemlich zeitig ins Bett.
Da ich heute zu den Inseln
wollte und die Fähre schon recht zeitig abfuhr, riß mich das Piepen meines
Uhrweckers unsanft relativ zeitig aus dem Schlaf. Fühlte mich richtig mies.
Ich preßte mir jede Menge Zitronen aus, wickelte mein "Palästinensertuch"
fest um den Hals, zog die Jacke an und lief zum Hafen. Auf meinem Weg zum
Schiff entdeckte ich einen Laden mit Meeresfrüchten. Besonders die Muschelnetze
interessierten mich. Ich glaube, sie wollten 1,50 Pfund pro Netz haben - eine
mehr als ausreichende Portion. Da ich sie aber nicht mitschleppen wollte,
beschloß ich, nach meiner Rückkehr noch einmal vorbeizukommen.
Ich nistete mich auf dem
Schiff ein und wartete auf die Abfahrt. Während der Überfahrt hat man einen
schönen Ausblick auf die Seeseite von Oban. Die Schiffe kurven an den zahlreichen
winzigen Inseln vorbei und ……………………..
In Mull angekommen,
warteten bereits drei Busse. Alle stiegen in den letzten ein. Die ganzen älteren
Leute gingen mir aber plötzlich auf die Nerven und ich wollte nicht mit ihnen
fahren. Also lief ich vor zum ersten Bus und fragte den Fahrer, ob er denn
auch zur Fähre nach Staffa fährt. Bingo! Er fuhr. Ich stieg in den Bus und
kaum hatte ich die Tür hinter mir gelassen, ertönte ein großes Hallo. Casey
und James! Sie hatten mich bereits vor meinem Einstieg von ihren Sitzen gesehen
und wollten gerade aus dem Fenster nach mir rufen. Nach einer herzlichen Begrüßung
erzählte ich ihnen, daß ich im gleichen Hostel wie sie vorher abgestiegen
wäre. Sie hatten auf Mull übernachtet und waren auf dem Weg nach Iona. Auch
dort wollten sie über Nacht bleiben. Sie hatten ebenfalls nicht den regulären
Bus genommen und waren rein zufällig hier. Die Welt ist klein .. Casey meinte
später, alles wäre Schicksal und "we were meant to meet" (dazu bestimmt, uns
zu treffen).
Die Überquerung von Mull
erwies sich als informationsreich und märchenhaft. Die Insel besteht hauptsächlich
aus zerklüfteter Berglandschaft mit Herden von Rothirschen. Haben vom Bus
aus nicht nur ein Reh gesehen. Ständig tauchte jede Menge Rotwild auf. Der
leichte Dunst durch den Regen läßt die Insel wie ein Märchen erscheinen. In
einsamen Hochtälern reichen sich Fuchs und Hase die Hand und die braunen Heidekraut-Matten
sehen aus wie verbrannt. Die Jeeps der Schaf-Farmer kurven quer durch halsbrecherische
Single-Tracks und unser Bus schlängelte sich mit sehr mäßiger Geschwindigkeit
die Hauptstraße quer über die Insel auf die andere Seite entlang. Der Nebel
über einigen Feldern und das ständige leichte Nieseln verliehen der Landschaft
etwas Mystisches. Es war wunderschön.
Auf der anderen Seite wartete
schon die nächste Fähre auf uns. Sie setzte nach Iona,
der heiligen Insel, über. Diese ist besonders lohnend für Leute, die sich
für Geschichte interessieren. Im Jahre 563 gründete hier der irische Mönch
St. Columba ein Kloster, von dem aus ganz Schottland christianisiert wurde.
Doch bereits schon früher war die Insel eine heilige Stätte. Die Druiden hatten
hier ihren Hauptsitz auch noch zu Merlins Zeiten. Iona wurde zur heiligen
Stätte: 60 schottische, irische und norwegische Könige ließen sich hier begraben
(im "Reilig Oran"-Friedhof). Mehrere Ruinen zeugen noch von der großen Vergangenheit
der kleinen Insel. Wer in geschichtliche Details einsteigen will: einen guten
Abriß bietet die Farbbroschüre "Welcome to Iona" für ca. 5 DM; gibt's beim
TI.
Landschaftlich bietet die
Insel weniger: völlig flach und vegetationslos. Am Pier ist ein kleines Dorf
und es befinden sich etliche Farmhöfe an der Nordküste. Der gesamte Süden
und die Westküste sind unbewohnt. In mehreren Buchten sind schöne Sandstrände
versteckt. Jährlich besuchen ca. eine halbe Million Touristen die Insel! Die
Bevölkerung selbst besteht fast vollständig aus älteren Leuten. Die junge
Generation zieht es in die Stadt. Casey, James und ich liefen durch die Ruinen
und über den Friedhof. Auf der Insel sind etwa 40 Könige von England und Schottland
begraben, u. a. auch König Artus von der Tafelrunde. Auch Merlin soll von
hier stammen. Zumindest soll er sich Arthur gegenüber als "Merlin von Iona"
vorgestellt haben.
Vor allem Casey interessierte
sich für die Königsgräber. Sie besah sich alles andächtig, lief dreimal um
das Grab und vollführte irgendein merkwürdiges Ritual, das ich leider wieder
vergessen habe .... Während sie mit ihrer heiligen Handlung beschäftigt war,
ging ich schon einmal voraus zur Kirche. Mit ein wenig Überredungskunst überzeugte
ich die Pförtnerin am Eingang davon, uns drei kostenlos hineinzulassen. (Normalpreis
waren so um die vier Pfund, glaube ich.) Hochzufrieden über meine kommunikativen
Fähigkeiten spazierten wir drei im Kloster umher. Es ist wirklich interessant.
Wir verbrachten ziemlich viel Zeit darin und ich hätte zum Schluß so vertieft
über unsere Kunststudien (auch im angrenzenden Shop) fast die Fähre nach Staffa
verpaßt.
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Wir verabredeten uns für
meine Rückkehr und die beiden anderen versuchten, eine Unterkunft für sich
zu finden. Die Fähre erwies sich als mickriges kleines Boot, das dem heraufziehenden
"Sturm" kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Die Überfahrt dauerte bestimmt
eine ganze Stunde. Das Wetter wurde richtig schlecht. Kalter, schwerer Regen
ergoß sich über uns. Endlich legten wir am Steg an. Ich bewunderte die Crew
(3 Leute) für ihre Kunst, das Boot so lange ruhigzuhalten, daß keiner der
aussteigenden Passagiere ins eiskalte und ziemlich dunkle Wasser stürzte.
Staffa ist Naturwunder aus
Basalt, durch einen Lava-Ausbruch im Tertiär entstanden. Die Insel ist 2,5
Quadratkilometer groß und besteht aus sechseckigen, ca. 15 Meter hohen Basaltsäulen,
auf denen ein unförmiger Gesteinsklotz ruht. Auf den bizarren Felsformationen
hocken tolpatschige Seevögel herum und an grasbewachsenen Stellen weiden Schafe.
Wer diese dahingebracht hat, würde mich wirklich interessieren ...
In den Felswänden sind mehrere
Höhlen. Die bekannteste ist die Fingal's Cave (70 m tief, 20 m hoch),
in der sich das Echo von Meeresrauschen und das Seevogel-Geschrei brechen
und zum Konzert vermischen. Felix Mendelssohn-Bartholdy wurde hier zu seiner
bekannten Hebriden-Ouvertüre inspiriert. Durch das wirklich stürmische Wetter
und den wolkenbruchartigen Niederschlägen wurde die Höhle zu einer Art Unterschlupf,
aus der man das Treiben draußen beobachten konnte. Um dorthin zu gelangen,
muß man einfach nur an der - vom Steg aus gesehenen - linken Seite der Insel
entlangklettern. Die Steine waren glitschnaß und rutschig durch den Regen.
Als eine der Ersten flüchtete ich mich in die Höhle, während das Unwetter
draußen weitertobte. Zurück beim Steg bestieg ich mit noch einigen Mutigen
das Plateau der Insel (Treppen und Leiter), bevor wir durchnäßt und frierend
auf das Boot zurückkletterten.
Auf dem Weg zurück wurde
unser kleines Schiffchen gehörig durchgeschüttelt. Sogar die Bootsmänner sprachen
von einem stürmischen Seegang. [...] Und früher wurde ich immer seekrank!
Naja, den Eimer brauchte eine andere Person und ich konzentrierte mich tapfer
ein paar Minuten krampfhaft auf eine weiße Wand vor mir. Erstaunlicherweise
ging es mir danach ziemlich gut und ich konnte dann auch auf das Wasser sehen.
Nach einer Weile fühlte ich mich richtig fit und genoß den Wellenritt.
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Zurück auf Iona warteten
Casey und James schon am Pier auf mich. So bedauerlich es auch für Casey und
James war: sie hatten keine preislich akzeptable Unterkunft gefunden. So beschlossen
sie, meinem früheren Vorschlag zu folgen und mit mir gemeinsam nach Oban zurückzukehren.
Ich lud die beiden zum Abendessen ein. Zum Dank wuschen sie das Geschirr und
veranstalteten eine Handtuchschlacht.
Während ich nur lachend
im Sessel saß, umkreisten sie sich wie Wölfe und schlugen mit den zusammengerollten
Geschirrtüchern aufeinander ein. Irgendwann fiel Casey auf, daß ich mich nur
amüsierte und überhaupt nichts abbekam. Nach dieser Erkenntnis sprang ich
wie von einer Feder abgeprallt auf und flüchtete die Treppen hoch. Ich glaube
nicht, jemals so schnell irgendwelche Stufen hinaufgekommen zu sein - auch
noch lachend. Im obersten Stock (der vierte) kamen wir alle völlig außer Atem
an, ich immer noch als Erste. Die beiden waren so nett, meine außerordentliche
sportliche Leistung zu würdigen und hieben nur jeder einmal pro Forma auf
meine Beine.
Der Rest des Abends verlief
sehr entspannt und gemütlich im Pub unter dem Hostel. Habe jede Menge cider
verdrückt - zur Desinfektion!
Der Alkohol am Abend schien
die Erkältung erschreckt zu haben. Fühlte mich fiel besser. Mein Busfahrer
nahm Casey und James leider nicht mit … hmm, die Busfahrerin in Glen Coe hatte
kein Problem damit. Wirklich schade! So verabschiedeten wir uns nun endgültig
voneinander und sie gingen zum Busbahnhof, während ich 11:30 Uhr Richtung
Loch Lomond fuhr.
Loch Lomond hat die größte
Seeoberfläche in Schottland (ich glaube sogar in ganz Großbritannien). Der
Bus hielt direkt beim "Hostel", das ansonsten nur über eine längere Wanderung
erreichbar ist. Habe keine Bushaltestelle gesehen und die einzige Alternative
wäre Trampen gewesen.
Vielleicht einen kleinen
Abriß über diese außergewöhnliche Unterkunft. Es ist nämlich das einzige echte
Schloß in Schottland, das zu einer (nicht unbedingt billigen) Jugendherberge
umgewandelt wurde. Es ist allerdings auch ein beliebter Konferenzort und durch
seine Nähe zu Glasgow günstig gelegen. Die Zimmer sind nicht sehr groß, weil
mehrere Doppelstockbetten hineingequetscht wurden. Die Bäder sind ziemlich
neu und das Frühstück zum Glück schon inklusive. Da der nächste Laden ziemlich
weit weg ist, war ich froh über meine vorrätigen Lebensmittel. Dazu hatte
man mir in Oban geraten.
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Nach
Balloch hinein ist es ein etwas längerer Fußmarsch. Einen großen Supermarkt
gibt's dort auch, aber man läuft eben 0,5 bis 1 Stunde, je nach Tempo. Dort
ist dann auch die nächste Bushaltestelle und jegliche Anlaufpunkte für irgendwelche
Aktivitäten. Ich spazierte im Ort umher und ging dem Mann in der Touristeninformation
auf die Nerven, weil ich unbedingt noch einen Ritt buchen und mich über Informationen
über Wandermöglichkeiten informieren wollte. Er wollte nämlich schließen (schon
einen halbe Stunde vor Schluß!) - damit war ich natürlich nicht so ganz einverstanden.
Die Auskunftsstelle hätte erst in zwei Tagen wieder geöffnet.
Nach ein wenig Überredungskunst
gab er mir bereitwillig Auskunft und beriet mich auch freundlich (und gern).
Seinen Feierabend hatte er bald vergessen und plauschte enthusiastisch mit
mir. Nachdem ich alles erledigt hatte, bin ich noch zum Balloch-Schloß im
Ort gegangen und machte einen kleinen Rundgang in dem Park dort. Von dort
aus hat man eine gute Sicht auf die andere Seite des Sees und ich konnte sogar
die Schloß-Jugendherberge ausspähen. Hier gibt es allerdings kaum noch richtige
Berge. Man kann die Landschaft nur noch als hügelig bezeichnen. Nach der wilden
und rauhen Schönheit des Nordens empfand ich die Landschaft schlichtweg als
langweilig und konnte mich partout nicht großartig dafür begeistern. Das zeigte
sich dann auch am nächsten Tag recht deutlich ...
Das Frühstück war gut und
es war reichlich vorhanden. Ich war sehr zeitig da, um den Horden von Kindern
und Teenies zuvorzukommen. Den Vormittag verbrachte ich in Balloch. Das Schloß
dort hatte eine interessante kleine Ausstellung und ich spazierte auch recht
lange im Park umher.