Backpacking in Schottland

Mittwoch, 22.09.1999

Um 8:15 Uhr sollte unser Bus losfahren. Wir sahen sehr viele Leute vor dem Büro stehen und bekamen einen Schreck. So voll! Glücklicherweise waren das die Teilnehmer einer organisierten Reise und unser kleiner Bus - maximal 14 Passagiere - parkte weiter unten. Welch ein Aufatmen!
Die erste Rast wurde gleich mit einem kurzen Imbiß und heißem Tee verbunden. Wir befanden uns im Tay Forest Park. Es gibt dort eine Art Aussichtsturm, der sich hoch über dem Wasser befindet. Von dort aus geht man einen Pfad in Richtung Fluß und kommt an eine altertümliche Steinbrücke. Als ich eine Weile hinuntersah, fasziniert von dem Spiel des Wassers über die Steine, entdeckte ich einen großen Fisch. Ich machte die anderen darauf aufmerksam. Unser Fahrer meinte, das seien Lachse und war sehr überrascht, noch welche zu sehen. Na und ich erst! Ich hatte noch nie einen echten lebendigen Lachs erblickt. Sein Fleisch kenne ich allerdings von farbenfroh angerichteten leckeren Sushi-Tellern zur Genüge. Eigentlich war die Lachszeit schon fast vorüber; die Hauptzeit ist Mai und Juni. Wir verbrachten noch eine Weile damit, das Wasser zu beobachten. Und tatsächlich: wir hatten Glück. Es sprangen noch drei oder vier Lachse in die Höhe.

Weiter ging es nach Craigvineau und wir legten auch dort einen kurzen Stop ein. Gegen 11 Uhr morgens hielt unsere Motorkutsche vor der Jugendherberge in Pitlochry. Das Hostel ist von der Ausstattung her eines der besten in ganz Schottland - zumindest wurde uns das so gesagt. Jedes Zimmer hat Teppich und ein eigenes Bad! Und Frühstück ist auch schon inklusive. Es war wirklich nicht schlecht.
Pitlochry ist ein Kurort und wird daher zumindest in der Reisezeit mit vor allem älteren Leuten überschwemmt, die mit ihrer Kleidung und ihrer Art so gar nicht in das Bild eines Rucksackreisenden passen und eine - für Schottland - geschäftige Touristenatmosphäre verbreiten. Ich deponierte meine Sachen und ging sofort wieder zum Portier hinunter, der sich schon beim Einchecken als ausgesprochen witzig erwiesen hatte. Dort erfuhr ich von interessanten Möglichkeiten, die man in Pitlochry und Umgebung unternehmen konnte. Steve??? erklärte anhand eines Stadtplans (mehr ein Leaflet) den Weg zum Supermarkt, zu Imbissen, zur Destillerie, zur Heater Factory, zu verschiedenen lohnenswerten Pubs, zum Staudamm, ... usw. Da wir relativ zeitig ankamen - noch vor dem Mittag, hatte ich noch fast den gesamten Tag vor mir. Ich ging mit einer Amerikanerin (Namen vergessen und auch nicht besonders wichtig) und noch einem Mädchen essen und danach zum Supermarkt einkaufen. Danach beschlossen wir, der Whisky Destillerie einen Besuch abzustatten und machten wir uns auf den Weg.

Die Edradour Whisky Destillery ist die kleinste legale (!) Schnapsbrennerei in Schottland. Zumindest wirbt sie damit. Wir gingen zur tourist information und danach in die Heather Factory, die sich gleich dahinter befindet. Da beide sowieso auf dem Weg lagen, paßte alles sehr gut. Die Fabrik ist wie ein kleines Museum mit eigenem Laden und natürlich einer Produktionswerkstatt aufgebaut. Es ist sehr interessant zu sehen, wie das Holzgewächs verarbeitet wird und wundervolle Schmuckstücke entstehen. Die Produkte sehen aus wie farbige Steine und man ist über das mangelnde Gewicht erstaunt, wenn man es in die Hand nimmt.

Der Spaziergang (Edradour Walk) entpuppte sich dann doch zu einer kleinen Wanderung (wir sind einen Umweg gegangen), bei der aufgrund des Zustandes des Weges definitiv keine Absatzschuhe angeraten sind. War aber sehr nett und die Gegend ist auch schön. In der Destillerie angekommen warteten wir noch ein paar Minuten auf den nächsten kostenlosen Rundgang. Die Führung war sehr interessant und beinhaltet eine Gratis-Verkostung des Produktes.
Wir sind dann einen anderen Weg zurückgegangen und haben somit einen kleinen Kreis abgelaufen. Hauptsächlich waren bestellte Felder und Wiesen, teilweise auch sehr schöne Waldstücke zu sehen.

Wieder zurück im Hostel haben wir uns Karten für den darauffolgenden Abend im Theater gesichert. Ich ging dann wieder los und machte einen kleinen Spaziergang zum Staudamm hinunter. Darübergehend hatte ich Glück, da ich noch einige wenige Lachse erblickte (die letzten), die stromaufwärts schwammen. Ich folgte der Straße am anderen Ufer entlang. Dabei kam ich an dem Theater vorbei, in das wir am nächsten Abend gehen würden. Das Gebäude erwies sich dem Äußeren nach eher als moderne, große Villa denn als Theater. Nur ein kleines Schild deutete auf den Verwendungszweck hin. Ich war etwas enttäuscht und konnte es nicht so recht glauben. Dafür war ich schon neugierig auf das Innere. Ob es der Innenausstattung eher gelang, einen Theatereindruck zu hinterlassen?
Abends sind wir noch in einige der vorgeschlagenen Pubs gegangen - einer davon war "MacKinney", in dem wir dann auch länger blieben. Vorher haben wir uns noch eine Weile mit neu eingetroffenen Leuten im Hostel unterhalten und sie dann mit in die Kneipe genommen. [...]

Donnerstag, 23.09.1999

Der nächste Morgen begann mit Nieselregen und als er dann endlich aufhörte, blieben die Wolken trotzdem weit unten und verdeckten die Bergkuppen. Ich überlegte lange, ob ich die Wanderung zum Ben-y-vrackie (Ben Vrackie) durchführen sollte oder nicht, da sich leider keiner bereiterklärte mitzukommen. Ich hatte zum Glück bereits am vorangegangenen Tag die genaue Wegbeschreibung von Steve erfragt. (Damals hatte ich übrigens noch keine wirklich überdimensionale Ambition zum Bergsteigen - dies und die nötige Erfahrung kamen erst später - die Begeisterung zwei Monate später, um genau zu sein.) Die meisten waren zu faul zum Wandern und den anderen gefiel das Wetter zum Laufen nicht. Was hatten sie erwartet? Ständig nur strahlenden Sonnenschein und tropische Temperaturen? Das hier war Schottland und nicht die Mittelmeerregion! Und es war Ende September! Letztlich überlegte ich mir, daß ich nur noch diesen einen Tag hier sein würde und sonst keine Gelegenheit mehr bekommen würde. Außerdem wollte ich die von sich selbst eingenommene Amerikanerin nicht den ganzen Tag über ertragen müssen.
So erklärte ich dem Portier, ein etwas älterer Mann diesmal, daß ich auf den Berg steigen würde. Er murmelte etwas von nicht ganz ungefährlich bei dem Wetter und daß ich nicht allein gehen solle. Leider erklärte sich auch nach einer Stunde des Wartens immer noch keiner bereit, mich zu begleiten. Ich meinte dann nur, daß ich umkehren würde, wenn ich es für zu gefährlich halten würde und ging in nördlicher Richtung davon.

Hier vielleicht noch eine Anmerkung zu den schottischen Bergen allgemein. Der Ben-y-vrackie zum Beispiel ist 841 Meter hoch, was nicht sonderlich viel erscheint. Aber bei jedem Aufstieg sollte man bedenken, daß man nicht wie in den Alpen auf einer bestimmten Höhe anfängt. Fast alle schottischen Berge beginnen nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Diese 800 Meter waren also auch tatsächlich 800 Höhenmeter, die man erklimmen mußte. Wie alle Wanderer rechnete auch ich mit etwa 300 Höhenmeter pro Stunde und schlug großzügig noch ein paar Stunden für Hin- und Rückweg darauf.

Im nächsten Dorf - "Moulin" - angekommen konnte ich den Abzweig des Weges nicht sofort finden (T-Kreuzung) und fragte eine Frau, die in ihrem Garten arbeitete danach. Die alte Frau war sehr nett. Sie vergewisserte sich zweimal, daß ich wirklich jetzt und heute auf den Berg steigen wollte und meinte daraufhin angesichts des Wetters (das ich gar nicht als so schlecht empfand): "You're a very brave girl. I'm gonna watch out for you, when you come back." Das kam mir zu diesem Augenblick doch etwas merkwürdig vor, da mir die Tour eigentlich nicht sehr beschwerlich erschien. Aber ich fand es wirklich sehr freundlich. Man fühlt sich gleich viel umsorgter und sicherer.
Moulin wirkt heutzutage eher wie ein Außenbezirk von Pitlochry. In seinen Blütezeiten hingegen fungierte dieser Ort als Reisestation. Der Pferdewechsel für die lange und ermüdende Kutschfahrt von Inverness nach Edinbourough fand hier im Moulin, einer gleichnahmigen Raststätte, statt. Moulin (maohlinn) ist ein alter gälischer Begriff für "glatter runder Hügel" ("smooth rounded hill"). Es soll die älteste Siedlung im oberen Tay-Tal sein - ca. 2000 Jahre alt. Auf dem Friedhof befindet sich ein Kreuzfahrer-Grabstein mit einem eingekerbten Doppelhandschwert aus dem 12. Jahrhundert. Ich machte mich in die gezeigte Richtung davon. Die drei ersten Häuser zur Rechten heißen laut meiner kleinen Beschreibung "Craigview", "Benview" und "Hillview". Sehr aufschlußreich! "Ben" ist übrigens Gälisch und bedeutet "Berg".
Zuerst geht es eine Asphaltstraße hoch und dann nach etwa 400 Metern in den Wald hinein. Ein typisch schottischer Wald mit sattem Grün, einem Bach und gesunder Vegetation. Durch den Wald und einige schottische Weideabsperrungen hindurch kommt man auf eine große baumlose Fläche. Sie ist fast völlig von Heidekraut überwachsen und der Weg führt mitten hindurch. Inzwischen war ich auch mitten im Nebel angelangt. Die maximale Sichtweite schwankte zwischen zehn und fünfzehn Metern, und betrug streckenweise sogar nur fünf Meter. Es sah aus, als ob ich mitten ins Nichts gehen würde.
Ich stieg immer weiter bergauf. Die einzigen Lebewesen, die ich traf, waren Schafe. Sie waren mit hauptsächlich roten und blauen Punkten gekennzeichnet. Die Atmosphäre war wundervoll. Ich war ganz allein und ich konnte nicht weiter als zehn Meter sehen. Solange man keine Angst bekommt, ist es wie in einem Märchen. Die meisten Laute, die ich hörte, ordnete ich dem Wetter und den Schafen zu.

Im Reiseführer (den ich vorher nicht gelesen hatte und der sich in Deutschland befand) steht folgendes über den von mir genommenen Weg zum Gipfel: "Vom Wald steigt der Pfad steil an, quert an einem Zauntritt eine Rotwildfährte und verläuft weiter bergauf. Mühelos läßt sich diesem Weg überall hin folgen, sicherlich ein Grund für die große Beliebtheit, derer sich die Wanderung erfreut. Bald ist ein Sattel erreicht, von dem man weit über das Tay Valley und zum Dunkeld Gap im Süden blicken kann. Außerdem erkennen Sie nun, warum die Route unter strategischen Gesichtspunkten von so großer Bedeutung ist: Es ist nur ein Weg möglich. Nicht hindurch kam jedoch an diesem Bergsattel ein junger australischer Flieger, der vermutlich hier in der Blüte der Jugend sein Leben ließ. Die Gedenkinschrift: "In memory of Terence Toole, RAAF, 1947-1972" erinnert an ihn. Haben Sie eine weitere Fährte gekreuzt, gelangen Sie zum Loch a'Choire. Ein wunderschöner Platz zum Rasten, bevor Sie das letze Stück zum Ben Vrackie in Angriff nehmen. Blicke nach Nordwesten zum Glen Garry eröffnen sich. Zwar befinden Sie sich mittlerweile auf einer Höhe von 500 m (1700 ft), aber harte 300 m müssen noch erklettert werden! Eigentlich erreicht man den Ben Vrackie-Gipfel ohne nennenswerte Schwierigkeiten, trotzdem ist Vorsicht angesichts des stellenweise ausgetretenen Weges geboten. Noch ein Hinweis: Es besteht kein Grund zur Eile, mit jeder Pause können Sie die Umgebung von neuem entdecken. Der Pfad schlängelt sich ein wenig nach rechts, kehrt dann zurück, um den letzten Anstieg zur Gipfelsteinpyramide und dem OS-Triangulationspfeiler zu bewältigen."

Inzwischen war das Wetter auch naß geworden. Je höher ich kam, desto mehr wechselten sich Regenschauer, Nieselregen und nasser Nebel ab. Ich lief in den Wolken (naja, ich weiß natürlich, daß die korrekte Bezeichnung "Hochnebel" ist). Nach Überquerung der Fläche kommt man an einen See, an dessen rechten Ufer ich vorbeiging. Dort teilte sich der Weg. Einmal ging steil bergauf und links am See entlang. Der Weg bergauf schien für mich jedoch kein Weg zu sein, so ging ich am Wasser entlang. Als ich um den See " Loch a'Choire" ("loch" = "See") herumgelaufen war und keinen Weg hoch entdeckte, beschloß ich umzukehren und doch die Andeutung des Weg zu nehmen, der eigentlich nur durch undeutliche kahlere Stellen im Heidekraut auf sich aufmerksam machte.

Als ich den ersten kleinen Anstieg genommen hatte, wurde ein etwas ausgetretenerer Pfad sichtbar, dem ich dann auch folgte. Leider verlor sich dieser Weg dann völlig. Da durch den Nebel immer noch nichts zu sehen war, beschloß ich, dem Weg des Wassers zu folgen. Überall flossen kleine Bäche den Hang hinunter und ich folgte der Hauptmasse. Wie ich später entdeckte, war das genau der Weg, was aber zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war. Ich folgte dem größten (naja, mathematisch betrachtet dem niedrigsten) Gradienten. Ich konnte links dunkle Schatten erahnen, die höher als meine derzeitige Position waren und lief auf sie zu. Leider war ich bereits vom Weg abgekommen und bestieg erst den "Nachbargipfel", ehe ich dann auf der Suche nach dem Gipfelmonolithen auf die richtige Bergspitze kam.
Der OS-Triangulationspfeiler ist ein ziemlich schwerer Klotz. Man sollte bedenken, welch enorme Arbeitskräfte beim Transport des Materials benötigt wurden. Heutzutage werden Hubschrauber eingesetzt, aber früher mußten Menschen (gelegentlich Ponies, falls der Hügel entsprechend beschaffen war) alles hinaufschleppen. Auf der Steinpyramide neben dem Pfeiler ist ein Fernglas angebracht, was mir aber rein gar nichts nützte. Es war sowieso nichts als Wolken zu sehen - und dafür brauchte ich kein Fernglas! Hier ein kleiner Auszug aus einem Reiseführer, um zu wissen, welcher Ausblick mir verwehrt wurde: "Hervorragende Panoramablicke werden frei. Im Nordwesten überragt die herrliche, geduckt wirkende Beinn a Ghlo-Gruppe das Glen Tilt. Nach Westen wandern die Augen vorbei am Loch Tummel und Loch Rannoch über das Rannoch Moor zu den westlichen Hügeln. Wieder erscheint Schiehallion, der Feengipfel, klar erkennbar im Süden. Am nördlichen Horizont reiht sich ein Berg an den anderen, sie schwingen sich vom abgerundeten Monadhliath bis zum großen Massiv der zentralen Cairngorms und hinauf zum Ben Avon, dessen charakteristische Felskuppen selbst aus dieser Entfernung herauszufinden sind." Einige Jahre später bestieg ein Freund von mir diesen Gipfel. Er machte wirklich sehr schöne Fotos ….
Anhand des Monolithen versuchte ich nun, die richtige Richtung für den Abstieg zu finden. Auf einmal hörte ich Stimmen und kurz darauf sah ich ein Pärchen aus dem Nebel auftauchen. Es waren Einheimische, die den Berg "zur Übung" hochliefen und nun wieder hinuntereilen mußten, um ihre Kinder aus der Schule abzuholen. Sie wiesen mir die Richtung - leider falsch, wie sich kurz darauf herausstellte. Ich machte mich auf den Abstieg und suchte den Weg zwischen dem Heidekraut. Dabei hatte ich irgendwie das Gefühl, nach Norden, anstatt nach Süden zu laufen - aber ich verließ mich auf die Worte der Einheimischen. Nach bestimmt über 200 Höhenmetern schaute die Sonne durch den Nebel. Zumindest war die Shilouette zu erkennen und ich stellte fest, daß ich tatsächlich nach Norden lief!
Ich machte mich umgehend auf den Weg zurück zur Spitze. Wieder erklomm ich den Gipfel und stand dann vor dem Monolithen. Ich wurde ein wenig nervöser und überlegte, wo der Weg sein könnte. Ich versuchte, mit der Landkarte auf dem Monolithen und meiner eigenen Karte eine Übereinstimmung zu finden und die richtige Richtung zu bestimmen. Auf einmal rissen die Wolken für ein paar Sekunden auf und man konnte den Weg erkennen. Da erkannte ich auch, daß der Weg total unter Wasser stand und mehrere Bäche darüber hinwegflossen. Ich prägte mir alles gut ein und schoß ein Foto. Kurz darauf war alles wieder so dicht wie vorher. Was für ein Glück, in genau diesen kurzen Sekunden oben gewesen zu sein! Also stieg ich den Berg hinunter. Der Nebel riß immer mehr auf und auf der Hälfte des Berges verließ ich die Wolkengrenze.

Unterwegs begegnete ich noch einem weiteren Pärchen, das sich seinen Weg durch das Wasser nach oben suchte. Auch sie waren sich nicht völlig sicher, ob sie richtig liefen. Ich beruhigte sie. Wieder am See angekommen, lief ich um ihn herum und stieg am anderen Ende über ein paar Hügel (Kamm zum Ben Vrackie-Ausläufer Meall an Daimh) bis zur Straße.

Dort bog ich nach links ab und ging wieder über Wiesen und Wälder nach Moulin hinunter, wo ich einem angepriesenen Abstecher rechts in die "Moulin Brewery" nicht wiederstehen konnte. Die kleine Bierbrauerei produziert vier "real ales", inklusive Braveheart Ale. Nach einem nur kurzen Halt machte ich mich schleunigst zurück zur Jugendherberge, um noch genügend Zeit für ein Abendbrot zu haben, bevor wir zum Theater aufbrechen mußten. Als ich völlig durchnäßt wiederkam, wurde ich von Steve gescholten. Ich hätte ihm Bescheid geben müssen. Hmm, das hatte ich getan - am vorangegangen Abend und bei seinem Freund, der mir daraufhin mitteilte, er hätte mich nicht ernst genommen. Was kann ich dafür?
Nach einer ausgiebigen Dusche, Essen und heißem Tee machten die Amerikanerin und ich uns auf den Weg ins Theater, um rechtzeitig zum Beginn um 20:00 Uhr anwesend zu sein. Wir schafften es gerade noch. Ein Glück, daß wir die Karten bereits vorher gekauft hatten: das Haus war voll. Es wurde das Stück: "The summertime is come" gespielt. Darin ging es um das Schicksal einer schottischen Familie in Amerika. Vornehmlich um das ältere Geschwisterpaar, das am Ende der Komödie wieder nach Schottland zurückging. Ich fand das Schauspiel sehr interessant (auch politisch/historisch faszinierend). Wir hatten mit der Auswahl Glück gehabt. Das Innere des Hauses entpuppte sich nicht nur als die Bühne des Ortes, sondern auch als eine Art Galerie. Überall waren Bilder der Umgebung und von ganz Schottland ausgestellt. Es befanden sich teilweise wirklich sehr schöne Landschaftsmalereien darunter. Wir verbrachten die Pause und bestimmt mindestens eine Stunde nach Beendigung des Stückes mit der Betrachtung der Kunstwerke.

Freitag, 24.09.1999

Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen und wir liefen noch einmal zum Damm hinunter. Er wurde zwischen 1947 und 1951 gebaut. Es enstand damals ein 5 km langer Stausee - der kurzerhand "Loch Faskally" genannt wurde. Damit etwa 5000 Lachse pro Jahr flußaufwärts schwimmen können, wurde eine 311 m lange Fischleiter gebaut. Sie beinhaltet ein Sichtfenster zu einem der drei Ruhebecken. Die Energiestation in der Dammauer besitzt ein Besucherzentrum mit Präsentationen über Hydroelektrizität und dem Lebenszyklus eines Flußlachses. Auf dem Rückweg blieben wir auf dem anderen Ufer und gingen über die Brücke, die uns empfohlen wurde. Sie schwankt ziemlich, ist aber bei weitem nicht so schlimm, wie Steve es uns weismachen wollte. Er hat mir eine Flasche Whisky angeboten, wenn ich es schaffe, ein Kind nur infolge von Resonanz von der Brücke zu schmeißen - angeblich soll das möglich sein. Meiner Meinung nach würde das aber nie klappen; wir haben das Resonanzverhalten etwas ausgetestet. Er wollte uns wie auch andere Schotten nur auf den Arm nehmen und Märchen erzählen.
Das ist übrigens ein Merkmal der Schotten - zumindest derer, die ich kenne und denen ich begegnet bin: je mehr sie dich mögen, desto mehr (schlimmere und peinlichere) Sachen erzählen sie über dich. Ich hatte es schon Jahre zuvor in Italien am eigenen Leib herausfinden müssen, als ich dort ein halbes Jahr mit einem Schotten als Kollegen arbeiten mußte. Laut meiner (guten) Erziehung, zeugt es von außerordentlicher Hinterhältigkeit, schlechte Sachen über eine andere Person zu erzählen. In Schottland ist es genau umgekehrt, solche "Witze" werden prinzipiell nur über und vor guten Freunden gerissen. Da erzählt man anderen von den peinlichsten Situationen, in die Freunde gekommen sind. So hatten die Haggis-Busfahrer großartige Geschichte über ihre Kameraden auf Lager - eine peinlicher als die andere. Ich habe später sogar gehört, daß sie naiven Touristen glaubwürdig weisgemacht haben, daß eine Frau (die mich später auch fuhr - daher weiß ich dies) angeblich eine Brustvergrößerung machen ließ. Sie war sehr erstaunt, als sie danach gefragt wurde und rächte sie mit einer peinlichen Story über die Sufftaten des Erzählers. Vor Leuten, die man nicht besonders mag oder kaum kennt, geht es übrigens völlig normal zu.
Püntklich kam dann der Bus und wir fuhren ca. 11:30 Uhr weiter nach Inverness.

Weiter: Inverness, Loch Ness, Blackfriars, Music, Cawdor Castle, Cullodon, Clava Cairns und eine unerwartete Begegnung mit einer vergessenen Bekannten